Zugewandt: Auctores-Entwicklungsleiter Jörg M. hat den Erfolg jedes einzelnen Mitarbeiters im Blick. - Bild: Auctores
Auctores ist in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen. Mit diesem Wachstum änderten sich auch die Anforderungen an die interne Feedback-Kultur. Es wurde ein strukturierter Prozess in festen Intervallen nötig. Jörg M., Leiter der Entwicklung bei Auctores, hat diesen Prozess im vergangenen Jahr aufgesetzt und im Sommer 2024 mit der internen Evaluierung begonnen. Im Gespräch erzählt uns M. über einen Prozess, der mittlerweile bayernweit als beispielhaft gilt.
Jörg, du hast bei Auctores ein neues Feedback-System ins Leben gerufen. Wie kam dir die Idee?
Jörg M.: Ich war in meiner Zeit vor Auctores schon viel mit dem Thema Feedback und Mitarbeiterbewertung betraut und konnte beobachten, wie wichtig so ein Prozess für die Entwicklung der Mitarbeitenden und des Unternehmens ist. Bei Auctores war das Feedback-System bisher eher informell und stark auf die Geschäftsführung zentriert, wie es in kleineren Firmen oft der Fall ist. Mit wachsender Unternehmensgröße wurde jedoch der Wunsch nach einem objektiven und strukturierten Prozess sowohl von Geschäftsführung als auch von Mitarbeiterseite größer. Also hat mich Karl Weigl gefragt, ob ich einen solchen Prozess anhand meiner Erfahrungen aus vielen – auch großen – Unternehmen für Auctores aufsetzen könne.
Lässt sich so ein Feedbackprozess aus einem Großunternehmen denn eins zu eins auf ein kleineres Unternehmen wie Auctores übertragen?
Jörg M.: Nein, so einfach geht das natürlich nicht. Grundsätzlich hat jede Firma einen unterschiedlichen Bedarf an Bewertungsinhalten und -dimensionen, die evaluiert werden. Auch die Ressourcen müssen individuell berücksichtigt werden. Der arbeitsintensive Prozess kann hier bei uns im Gegensatz zu Großunternehmen nicht auf den Schultern einer starken HR-Abteilung verteilt werden. Von daher muss sich der Umfang eines solchen Prozesses in Grenzen halten. Aber den Kern konnte ich adaptieren, pragmatisch gestalten und auf die Gegebenheiten hier abstimmen.
Was heißt das genau?
Jörg M.: Anders als bei großen Firmen kann der Prozess bei Auctores nicht parallel für alle Mitarbeiter durchgeführt werden, sondern muss aufs Jahr verteilt ablaufen. Auch die Anzahl der Feedbackgeber pro Mitarbeiter ist geringer, da man einfach weniger Kolleg*innen hat. Trotzdem sollten Elemente wie Objektivität und Unabhängigkeit von einer zentralen Person nicht verloren gehen. Was ich zudem unbedingt einbringen wollte: Das Feedback soll konstruktiv sein. Es geht nicht um eine reine „Benotung“ der Arbeitsleistung der letzten Monate und um das Aufdecken etwaiger Defizite. Vielmehr soll der Feedback-Empfänger eine aktive Hilfestellung bekommen, um mögliche Lücken schließen und um Weiterentwicklungsmöglichkeiten gemeinsam gestalten zu können.
Wie ist der Feedback-Prozess demnach also aufgebaut? Wie läuft er ab?
Jörg M.: Die Mitarbeitenden starten mit einer freiwilligen Selbstevaluierung, in der sie ihre Leistungen, Herausforderungen und Erfolge der letzten zwölf Monate reflektieren. Daraufhin wählen sie drei Feedback-Geber mit möglichst höherer Seniorität aus unterschiedlichen Bereichen aus, um eine faire und vielfältige Perspektive sicherzustellen. Diese richten sich bei ihrer Rückmeldung an fünf Dimensionen aus – Kompetenz, Problemlösung, Kundenwirkung, Weiterentwicklung und Vorbildfunktion. Sie halten Rückblick, Status quo sowie Vorschläge für die Weiterentwicklung im Freitext fest, idealerweise mit konkreten Beispielen.
Und danach? Wie erhält der Feedback-Empfänger seine Bewertung?
Jörg M.: Die fertig ausgefüllten Feedbackbögen werden wieder an den Leiter des Feedbackprozesses, also aktuell an mich, zurückgespielt. Ich konsolidiere alle Bewertungen und fasse in einem Dokument alle relevanten Aspekte und Bewertungen zusammen. Zudem fließt optional, gerade bei höheren Rollen, noch das Feedback der Geschäftsführung und anderer Stabsstellen ein. Dies bildet die Grundlage für das anschließende Mitarbeitergespräch, das in der Regel zwischen Feedback-Empfänger, dem Weisungsbefugten und mir stattfindet. Besondere Themen, die seitens des Feedback-Empfängers zu besprechen wären, zum Beispiel Gehaltserhöhung, Fortbildungen und Sonderurlaub, kann dieser natürlich vorher äußern.
Klingt alles in allem nach einer sehr durchdachten, fairen und konstruktiven Vorgehensweise. Empfinden die, die diesen Prozess seit Sommer 2024 durchlaufen haben, das auch so?
Jörg M.: Der Feedbackprozess war natürlich anfangs für alle ungewohnt, gerade für die, die schon sehr lange bei Auctores sind. Sie wussten nicht genau, was sie erwarten würde. Aber nach der ersten Runde ist die Resonanz sehr positiv, besonders bezüglich der Objektivität und der Ausgewogenheit zwischen fachlicher Kompetenz und sozialen Fähigkeiten.
Was sind deiner Meinung nach die größten Vorzüge eines solchen Feedbackprozesses?
Jörg M.: Ich denke, dass durch diesen Prozess die Erwartungen in beide Richtungen ganz klar und transparent sind. Ich bin überzeugt, dass unser Vorgehen nicht nur dem einzelnen Mitarbeitenden hilft, sondern auch dem gesamten Team und dem Unternehmen. Wenn Mitarbeiter*innen genau wissen, wo sie stehen und wie sie sich entwickeln können, führt das zu einer insgesamt besseren Leistung. Außerdem stärkt es das Vertrauen zwischen den Mitarbeiter*innen und den Führungskräften. Es fördert eine Kultur des Lernens und des kontinuierlichen Verbesserns, was für jedes Unternehmen entscheidend ist. Der Prozess bedeutet zwar viel Aufwand, aber meiner Meinung nach lohnt er sich.
Wird es noch Anpassungen geben?
Jörg M.: Ja, der Prozess ist in ständiger Weiterentwicklung. Es wird noch detailliertere Rollendefinitionen für unterschiedliche Erfahrungsstufen geben, damit Mitarbeiter*innen besser verstehen, was von ihnen auf welchem Level erwartet wird. Gehaltsstrukturen wollen wir transparenter und objektiver gestalten.
Ihr habt den Feedbackprozess bisher nur in der Entwicklungs-Abteilung durchgeführt. Wird er auch in anderen Abteilungen ausgerollt?
Jörg M.: Definitiv! Dazu müssen wir allerdings mit den Leitungen dieser Bereiche deren spezifische Erwartungshaltung und Bewertungskriterien definieren. Aber über kurz oder lang sollen natürlich alle eine klare Grundlage für die eigene Entwicklung bekommen.
Hast du einen Tipp für Unternehmen, die einen ähnlichen Prozess einführen wollen?
Jörg M.: Mein Tipp wäre, nicht zu viel auf einmal zu wollen. Es muss nicht alles perfekt sein, aber der Prozess sollte klar und transparent sein und vor allem regelmäßig. Die wichtigste Voraussetzung ist, dass alle Beteiligten verstehen, dass Feedback nicht Kritik ist, sondern eine Chance zur Weiterentwicklung. Und es muss Raum für echte, konstruktive Diskussionen geben. Übrigens sehe ich das wohl nicht allein so. Auctores ist im Bayerischen Unternehmensverband Metall und Elektro (bayme) engagiert. Sie haben den Prozess als gutes Beispiel in ihr reguläres Workshop- und Trainingsreihenprogramm aufgenommen.
Das ist ja eine Ehre! Wie kam es denn dazu?
Jörg M.: Wir haben festgestellt, dass unser Feedback-Prozess nicht nur im Haus sehr gut aufgenommen wurde, sondern auch bei externen Partnern auf großes Interesse stößt. Aufgefallen ist das, als ich an einer bayme-Schulung teilgenommen habe. Darin sollten Teilnehmer die firmeninternen Feedbackprozesse vorstellen, was ich dann getan habe. Etwa neun Monate später erhielt ich vom bayme eine Anfrage. Ihnen habe unser Feedbackprozess so gut gefallen, dass sie ihn gerne in das Schulungsprogramm als Beispiel aufnehmen wollten.
Was macht den Prozess so spannend für andere Unternehmen?
Jörg M.: Ich glaube, es ist die Mischung aus Struktur und Pragmatismus. Wir haben klare Bewertungskriterien und einen festen Ablauf, aber gleichzeitig achten wir sehr darauf, dass der Prozess nicht zu bürokratisch wird. Unser Fokus liegt auf konstruktiver Weiterentwicklung – gerade dieser Gedanke kommt bei anderen Unternehmen gut an, weil er die Möglichkeit für echte Gespräche auf Augenhöhe gibt. Die Teilnehmenden unserer internen Vorstellung meinten oft, sie hätten jetzt ein viel besseres Gespür dafür, wie Feedback konstruktiv, aber dennoch objektiv gestaltet werden kann.
Welche Punkte liegen dir noch besonders am Herzen?
Jörg M.: Ganz wichtig ist mir, dass Feedback kein einmaliger „Bewertungsevent” ist, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Es geht darum, eine offene Lernkultur zu etablieren, in der sich alle trauen, Feedback zu geben und zu empfangen – und das auf sehr konkrete, praktische Weise. Feedback ist immer eine Chance zur Verbesserung, niemals eine Abrechnung. Wer sich diesem Prozess öffnet, nutzt die Möglichkeit für eine ganzheitliche, individuelle Einschätzung. Das kommt sehr gut an.
Bayme: Der bayme – Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro ist ein Zusammenschluss von Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Bayern und hat seinen Sitz in München. Er vertritt gut 2.700 Mitgliedsbetriebe mit rund 300.000 Arbeitnehmern. In ihm sind auch die Unternehmen der IT-Branche organisiert.