Digital ausgebremst: ICC-Chefankläger Karim Ahmad Khan, hier bei einem Besuch im kriegsgebeutelten Charkiw, spürt den langen Arm der US-Gesetzgebung. - Bild: gp.gov.ua
Als Microsoft auf Befehl Washingtons den Mail-Account des Chefanklägers des internationales Strafgerichtshofes kappt, offenbart der Konzern Europas wunde Stelle: Unsere komplette Justiz hängt am Tropf US-amerikanischer Software. Ein einziger Federstrich genügt – und selbst internationale Institutionen sind digital ausgeschaltet. Doch was ist eigentlich genau passiert?
US-Präsident Donald Trump hat am 6. Februar 2025 per Executive Order 14203 Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verhängt. Die US-Sanktionsbehörde Ofac setzte Chefankläger Karim Khan persönlich auf eine Sanktionsliste. Damit war Microsoft – wie jedes US-Unternehmen – verpflichtet, alle Leistungen für Khan zu sperren; sein dienstlicher E-Mail-Account wurde deaktiviert.
Das Sanktionsrecht der Vereinigten Staaten wirkt folgendermaßen: Wer Personen, die auf einer schwarzen Liste stehen „materielle Unterstützung“ bietet, riskiert hohe Geldbußen oder gar Strafverfahren in den USA. Für Microsoft bedeutete das: Entweder das Konto schließen – oder selbst gegen Sanktionen verstoßen.
Doch nicht nur der Internationale Strafgerichtshof: Fast alle Nationen und internationalen Institutionen in Europa stützten ihre Justiz, Verwaltung und Wirtschaft immer noch massiv auf US-Infrastruktur wie Office 365, Azure und AWS. Sobald Washington Executive Orders erlässt oder Export- oder Spionagegesetze anwendet, reichen diese bis in europäische Rechenzentren hinein. Dass diesmal das wichtigste internationale Gericht lahmgelegt wurde, zeigt die Sprengkraft für alle Bereiche, in denen Neutralität eigentlich unverzichtbar ist.
Die Open Source Business Alliance spricht von einem „beispiellosen Weckruf“: Man könne sich „nicht auf Unternehmen verlassen, die nicht unter unserer Jurisdiktion stehen“ und brauche „Alternativen, die wir kontrollieren und gestalten können“. Doch eine Abhängigkeit von Uncle Sam ist nicht nötig. Dass es bereits europäische Initiativen für mehr digitale Selbstbestimmung gibt, zeigt diese Übersicht:
Am Ende bleibt zu sagen: Nicht Microsoft ist schuld, sondern ein System, das internationale Institutionen unter fremde Rechtshoheit zwingt. Die Sperre eines IStGH-Kontos zeigt: Solange zentrale Dienste von US-Anbietern betrieben werden, kann ein einziges Dekret jede europäische Organisation – bis hin zum höchsten Gericht – digital abschalten. Digitale Souveränität ist daher kein Luxus, sondern Grundvoraussetzung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Wenn Sie Ihre Softwarelandschaft digital souverän gestalten wollen, beraten wir Sie gerne in einem unverbindlichen Gespräch.