Ob Fachkonferenz, Produktvorstellung, Hausmesse oder „nur“ die Abteilungsbesprechung: Wie beim Weg ins Homeoffice haben auch hier COVID-19 und Social Distancing den sich schon länger abzeichnenden Trend erheblich beschleunigt, Veranstaltungen online abzuhalten. Aus der Praxis heraus ist dabei ein Format wichtig auch für die Zukunft geworden – das Hybrid-Event, bei dem ein Teil der Teilnehmer physisch vor Ort ist, während sich andere online zuschalten.
Diese Mischung aus realem und virtuellem Event kann unterschiedliche Formen annehmen. Die Videokonferenz gehörte bei Unternehmen mit mehreren Standorten schon vor der Pandemie zum Alltag. Darüber haben sich eine Fülle neuer Anwendungsbereiche im gegenwärtigen Ernstfall bewährt und werden deshalb auch künftig genutzt und ausgebaut werden. So sorgen Virtual-Reality- und Augmented-Reality-Erweiterungen gegenüber der „klassischen“ Videokonferenz oder -Präsentation für mehr Immersion und damit intensiveres Erleben. Beim Vorführen von Produkten können Kundenberater virtuelle Besucher direkt „mitnehmen“ und ihnen Details und Funktionen aus der Ich-Perspektive zeigen. Im Support eignen sich solche VR- und AR-Anwendungen dazu, Zusatzinformationen und Hinweise etwa bei Geräten live einzublenden.
Dabei profitiert jede Branche von solchen Hybrid-Events, wenn sie sich darauf einlässt. Bei einer virtuellen Haus- oder Wohnungsbesichtigung etwa ist die Teilnehmerzahl naturgemäß höher, als es bei der realen Variante schon aus Platzgründen möglich wäre. Und wer nicht live dabei sein kann, kann die Tour am nächsten Tag per Aufzeichnung zumindest nachvollziehen – und dem Makler oder Bauträger Fragen dann per E-Mail stellen.
Ob Schule, Universität, inner- oder überbetriebliche Fortbildungen: Workshops und Seminare sind interaktiv und bis hin zur Abschlussprüfung hybrid realisierbar. Mit der richtigen Infrastruktur lassen sich auch Großveranstaltungen wie eine Apple-Keynote, eine Gamescom und selbst eine Aktionärsversammlung auf diese Weise durchführen. In Zeiten von Reisebeschränkungen, reduzierten Reisebudgets und geringeren Präsenzzeiten im Büro hat sich gezeigt, dass sich Hybrid-Events bequemer, stressfreier und günstiger durchführen lassen als konventionelle Termine und Veranstaltungen.
Die Digitalisierung hat nicht erst mit Corona begonnen. Sie wurde nur beschleunigt und zwingt auch Traditionalisten, mitzugehen, wenn sie nicht auf der Strecke bleiben wollen. Unabhängig vom Anlass gilt es nun, Potenziale zu erkennen und zu nutzen. Interaktive Veranstaltungen jeglicher Art werden schnell in weitaus größerem Rahmen stattfinden, als man es sich Anfang 2020 noch vorstellen konnte, sowohl unternehmensintern als auch extern.
Die anteilige oder komplette Verlagerung ins Internet bietet viele zusätzliche Möglichkeiten. So können Veranstalter während eines Events schneller auf Teilnehmermeinungen zu reagieren. Starke Nachfrage lässt sich besser abfedern, indem man mehrere Veranstaltungstermine anbietet. Für international agierende Unternehmen ist das ein besonderer Vorteil, da sich die Veranstaltungstermine auf die jeweilige Zeitzone anpassen lassen.
Gefragte Experten mit vollem Terminkalender sind für prestigeträchtige Veranstaltungen leichter zu gewinnen, weil Reisezeiten und der mit der Vor-Ort-Präsenz verbundene Aufwand entfallen. Veranstaltern eröffnen sich zusätzliche Chancen für Pre-Opening- und Begleit-Events, Sponsoren können Zusatzangebote einfacher integrieren und breiter streuen.
Umgekehrt ist kaum ein Event zu klein, um es nicht durchführen zu können: Entschied bislang über eine Veranstaltung, ob man die teure Konferenzhalle voll bekommt oder ob sich der Messeauftritt mit zweistöckigem Firmenstand rechnet, scheitert es daran inzwischen nicht mehr. Selbst die jährliche Hausmesse mit Partnerunternehmen lässt sich inzwischen großenteils zum Hybrid-Event machen: Für Panels und Podiumsdiskussionen können sich die Teilnehmer wahlweise real oder vor dem Bildschirm versammeln. Ein beteiligtes Unternehmen kann seine Produkte direkt am Messestand mit „entfesselter“ Videokamera auch virtuellen Besuchern präsentieren – und das Team vor Ort durch weitere Mitarbeiter entlasten, die vom Unternehmenssitz aus das gesamte Sortiment zeigen und Nachfragespitzen abfangen können.
„Virtuelle Messe“ ist damit kein Schimpfwort mehr: Das, was eine Messe ausmacht, lässt sich hier genauso erleben. Der persönliche Austausch, die Begegnungen mit Bekannten, Geschäftspartnern ebenso wie das spontane Gespräch beim Erstkontakt finden dann eben nicht im Gang zwischen den Messeständen oder an der Kaffeebar statt, sondern in der virtuellen Lounge, die der Veranstalter bereitstellt – und in der man sich auch per Chat austauschen oder bei Bedarf ins Einzelgespräch zurückziehen kann. Das Finden passender Gesprächspartner lässt sich dabei über eine Matching-Funktion unterstützen, die die Interessen der Teilnehmer abgleicht.
Fachpanels lassen sich als Webinarreihe anbieten und zusätzlich on demand vermarkten. Dies erhöht Reichweite und Resonanz einer Veranstaltung. Darüber hinaus regen die verfügbaren Tools die Teilnehmer an, sich aktiver zu beteiligen. Ebenso wie durch die stärkere Personalisierung der Angebote trägt das zu einer positiveren Erfahrung bei, die auf Veranstaltung und Veranstalter zurückstrahlt.
Nicht zu unterschätzen ist der Imagegewinn durch Nachhaltigkeit, wenn Geschäftsreisen oder Messebauten immer seltener nötig werden. Hybride Events haben einen geringeren CO2-Fußabdruck, verbrauchen weniger Energie und erzeugen weniger Müll. Unter den aktuellen Vorzeichen ist zudem das Einhalten von Hygiene-Maßnahmen und sonstige Vorschriften weniger aufwendig, wenn die Anzahl der real anwesenden Teilnehmer überschaubar bleibt.
Die Leichtigkeit, mit der sich eine hybride Veranstaltung starten lässt, kommt besonders spontanen Terminen zugute. Diese lassen sich – etwa beim Live-Chat mit einem Experten – zur Kundenbindung oder für schnelle, konkrete Hilfe und Information nutzen. Kompakte Webinare lassen sich einfacher organisieren als traditionelle Inhouse-Schulungen. Teamführung und Kommunikation in Zeiten von dezentralem Arbeiten und Social Distancing werden einfacher – Video mit Zusatzfunktionen für Screensharing und Datenaustausch ist besser als „nur“ Telefon und E-Mail.
Damit das Konzept seine Vorteile ausspielen kann, muss die Technik dies auch abbilden können: Termin muss sich nicht so einfach organisieren lassen wie das Buchen eines Besprechungsraums, sondern noch einfacher und schneller. Gleichzeitig gilt es, dies auch in der Unternehmenskultur umzusetzen und Kommunikationsstrategien bedarfsgerecht anzupassen. Unternehmen und Mitarbeiter sollten hier nicht vor Experimenten zurückscheuen, gerade wenn der Investitionsaufwand so überschaubar ist, sich aber auf vielfältigste Weise auszahlen kann.
Auch wenn die Virtualisierung vieles einfacher macht, entscheidet eine gute Organisation immer noch über den Erfolg einer Veranstaltung, die sich an einen größeren Teilnehmerkreis richtet. Eine Hybrid-Veranstaltung stellt nur etwas andere Anforderungen an das Organisationsteam. Die Akkreditierung der Teilnehmer von den Logindaten bis zur Abrechnung bei kostenpflichtigen Veranstaltungen sollte ohne Medienbruch erfolgen – und idealerweise mit weniger Vorlauf als bisher.
Ein wichtiger Punkt ist die Verwaltung der physischen Teilnehmerplätze und die Vergabekriterien dafür: Wer kann, will, darf einen Platz haben? Gibt es VIP-Teilnehmer mit Sonderrechten? Das muss sich auch bei den Eintrittskarten widerspiegeln – die elektronische Buchungsbestätigung mit Zugangsdaten und QR-Code kann gleichermaßen zum realen wie zum virtuellen Besuch berechtigen, muss aber nicht.
Gerade bei Veranstaltungen, die Teilnehmer einbeziehen, sind zu hohe Teilnehmerzahlen kontraproduktiv. Anschlussfragen oder Diskussionen etwa sind dann nur noch begrenzt möglich. Deshalb ist auch bei interaktiven Events eine Limitierung sinnvoll. Dann ist aber zu klären, ob es eine Warteliste für Nachrücker gibt oder Teilnehmer gleich auf eine Folgeveranstaltung umgebucht werden oder selbst umbuchen können.
Vorab zu klären ist – auch hinsichtlich der rechtlichen Fragen – ob und wie Veranstaltungen sich archivieren lassen. Die Aufzeichnungen lassen sich schließlich ebenfalls zur Reichweitensteigerung einsetzen: Ein Interview mit einem Experten interessiert auch Personen, die die ursprüngliche Veranstaltung vielleicht gar nicht mitbekommen haben.
Im Vorfeld sind unbedingt Testläufe nötig, damit nicht im entscheidenden Moment die Technik versagt. Zudem sollten Veranstalter schnelle Kapazitätserweiterungen bei überraschender Nachfrage einplanen – und die Infrastruktur sollte die Möglichkeiten dazu bieten. Rund um die Veranstaltung erleichtert die Digitalisierung Statistiken, Auswertungen und Reporting. Neben diesen Daten können auch die Ergebnisse aus direktem Feedback und Umfragen einfacher für das CRM genutzt werden.
Besonders im geschäftlichen Umfeld spielt es eine Rolle, ob die für Hybrid-Events eingesetzten Lösungen datenschutzrechtlich unbedenklich sind. Zu Beginn der Corona-Pandemie wurden häufig in dieser Hinsicht zweifelhafte Anwendungen genutzt, weil diese schnell und einfach verfügbar waren. Mittlerweile sehen die Datenschutzbehörden hier jedoch genauer hin.
Seit dem Ende des Privacy-Shield-Abkommens sind selbst etablierte Lösungen nicht mehr ganz unbedenklich, wenn die Daten über Server in den USA laufen. Noch problematischer wird es, wenn die Software über chinesische Server routet. Beide Optionen sind mit Blick auf Geschäftsgeheimnisse nicht unbedingt vertrauenerweckend. Doch auch bei quasi-öffentlichen Kundenveranstaltungen muss beachtet werden, dass alles DSGVO-konform abläuft.