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15 Jahre Disclaimer-Voodoo

Landgericht-Hamburg-Distanzierung ist nicht totzukriegen

„Mit dem Urteil vom 12. September 1998 – 312 O 58/98 – ‚Haftung für Links’ hat das Landgericht Hamburg entschieden …“ – mit diesen Worten beginnt einer der hartnäckigsten Mythen im deutschsprachigen Teil des World Wide Web: Wer nicht für Inhalte auf anderen Websites haftbar gemacht werden will, auf die er verlinkt, muss sich ausdrücklich von den Inhalten dort distanzieren. Und wer sich diese Distanzierung auf seine Website schreibt, schützt sich damit vor straf- und zivilrechtlicher Verfolgung wegen eines Links. Beides ist bestenfalls Wunschdenken – und schlimmstenfalls bringt einen gerade dieser Passus juristisch in die Bredouille.

Schon kurz nach dem ersten Auftauchen dieser Zauberformel haben Netizens wie Daniel Rehbein und Christoph Schneegans auf die Wirkungslosigkeit des Disclaimer-Voodoos hingewiesen und auch Fachanwälte sich mit dem Thema Linkhaftung ausführlich beschäftigt und den gängigen Disclaimer als modernes Märchen entlarvt. Dennoch ist er bis heute selbst auf neuen Web-Auftritten zu finden. Dabei sind sich die Seitenbetreiber oft gar nicht der rechtlichen Risiken bewusst, sondern hoffen sich ähnlich wie mit den ebenfalls häufig genutzten Angstklauseln in E-Mails abzusichern.

Die kritische Passage ist aber zum einen hinsichtlich des behaupteten Zwecks wirkungslos und macht den Seitenbetreiber zum anderen angreifbar: Eine solche pauschale Distanzierung impliziert eben genau wissentliche Verlinkung und damit die Übernahme der Verantwortung. Darüber hinaus schaden solche Disclaimer dem WWW in mehr als einer Hinsicht. So zeigen sie ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber den verlinkten Websites und entwerten damit die durch den Link eigentlich geplante Wertschätzung. Zum Vergleich: Will man von jemandem einem potenziellen Geschäftspartner oder Kunden empfohlen werden mit „Darf ich Ihnen Herrn Meier vorstellen, mit dem will ich nichts zu tun haben“?

Hintergrundinformationen, rechtliche Fallen und plausible Formulierungen liefert im Schnellüberblick der Artikel Es ist nicht alles Schwachsinn, aber doch fast – 21 Fakten über Disclaimer. Und wer daran glaubt, dass der Distanzierungs-Text rechtliche Wirksamkeit hat, kann sich einfach folgendes Schild hinter die Windschutzscheibe seines Autos klemmen und künftig parken, wo immer er will:

„Hiermit distanziere ich mich ausdrücklich von der StVO und allen unter dem Scheibenwischer angebrachten Gegenständen. Wenn Sie sich diesem Fahrzeug nähern, stimmen sie damit diesem Haftungsausschluss automatisch zu.“

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